Was aus den Wanderer-Werken in Chemnitz werden soll
Die Firma Gemac ist der einzige größere Nutzer in dem früheren Industriegebiet und hadert mit dem Verfall ringsherum. Nun haben die Eigentümer der stadtbildprägenden Gebäude ihre Pläne vorgestellt.
Das Wanderer-Areal erstreckt sich zwischen der Bahnlinie (vorn) und der Zwickauer Straße. Die meisten Gebäude stehen leer und verfallen. Größte Ausnahme: der Sitz der Firma GEMAC am linken Bildrand. Foto: ERZ-Foto/Georg Ulrich Dostmann
Während andere vormalige Industriekomplexe wie der Wirkbau an der Annaberger und der Spinnereimaschinenbau an der Altchemnitzer Straße schrittweise wiederbelebt werden, tut sich im Wanderer-Areal nichts. Der Haupt-Komplex, die Wanderer-Werke, wurde vor fast 130 Jahren für den Fahrzeug- und Maschinenbau erbaut. Anfänglich wurden in der „Wanderer Fahrradwerke AG“ vor allem Fahrräder produziert, später zusätzlich Fräsmaschinen, Motorräder, Schreibmaschinen und Autos. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen enteignet und zerschlagen. In Westdeutschland bestand die Wanderer-Werke AG fort – unter unterschiedlichen Bezeichnungen bis zur Insolvenz 2010.
Auf dem Industrie-Areal in Schönau wurde auch während der DDR-Zeit in kleinerem Maßstab unterschiedliches produziert. Seit der Wende dominieren trotz mehrmaliger Anläufe von Investoren Leerstand und Verfall auf dem rund fünf Hektar großem Gebiet. Neben GEMAC haben sich bislang nur vereinzelt Unternehmen angesiedelt, darunter eine Umzugsfirma. Andere Nutzungsformen gibt es nicht.
Das soll sich nun ändern. Den Mitgliedern des Ausschusses für Stadtentwicklung und Mobilität wurden in nicht öffentlicher Sitzung die Pläne der Eigentümer vorgestellt. „Freie Presse“ liegt die Präsentation vor. Das Gebiet soll sich demnach weg von einem reinen Gewerbe- zu einem Mischgebiet aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und sozialen Einrichtungen entwickeln.
Seit 20 Jahren ist GEMAC hier zuhause. Geschäftsführer Tilo Rothkirch denkt über Ausbau nach – und wünscht sich eine Belebung des Areals. Foto: Andreas Seidel
Die stadtbildprägenden Wanderer-Werke an der Zwickauer Straße sollen in vier Einheiten aufgesplittet werden. Der größte Teil ist als Nutzungsfläche für Wissenschaft und Kreativität vorgesehen, ein anderer Bereich für Ausstellungen und Veranstaltungen. Zudem sind Ateliers und Wohnlofts angedacht. Eigentümer der Werke ist eine Vermögensverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Berlin. Sie hat in März einen Bauantrag eingereicht, den das Rathaus aber als unvollständig einstuft.
Offenbar konkreter sind die Pläne für den lang gezogenen sechsgeschossigen Bau mit der großen Glasfront. Eigentümer dieses Hauses ist die Rock Immobilien Gesellschaft aus Leipzig. Sie will etwa zwei Drittel des Gebäudes – vor allem die oberen Etagen – zu Wohnungen umbauen. Der restliche Teil ist Büros, Co-Working-Räumen und kleinen Gewerben vorbehalten. Angedacht ist überdies der Neubau zweier Häuser auf der davorliegenden Grünfläche, die vor allem kleinere Gewerberäume beherbergen sollen.
Damit die Eigentümer ihre Vorhaben umsetzen können, hat der Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität die entsprechenden Bauplanungen auf den Weg gebracht. Und gleich mit definiert, was in dem Areal unerwünscht ist: Kfz-Handel, Bordelle, Tankstellen, Gartenbaubetriebe und großflächiger Einzelhandel wie Supermärkte. Letztere gebe es im Umfeld – beispielsweise am Bahnhof Siegmar – ausreichend, erklärte Stadtplanungsamtsleiter Börries Butenop.
Über die Ideen der Eigentümer hinaus hat das Rathaus eigene Pläne für das Wanderer-Areal. Es gilt als einer der Schwerpunkte bei der Umgestaltung und Aufwertung der Zwickauer Straße in den kommenden Jahren. Unter anderem will das Rathaus die Straßenbahntrasse bis nach Reichenbrand verlängern und auf die Zwickauer Straße verlegen lassen. Am Wanderer-Viertel soll deswegen ein kleiner Stadtplatz mit Umsteigepunkt samt Ladestationen und Infopunkt entstehen. Dauern wird das alles aber wohl noch Jahre: Der nun vom Ausschuss auf den Weg gebrachte Bebauungsplan steht wohl erst Ende 2023.
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Autor: Benjamin Lummer